Hintergrund vom weithin berühmten und gefragten Hofmaler "Antonio d'Drigan" (Dave)
Mein Name war Hernan Theodorus von Quidrame. Meine Geburt stand unter keinem guten Stern, kostete mein Leben doch dasjenige meiner Mutter. Zu früh wurde ich aus dem blutigen Schutz meiner Mutter geschnitten. Nur das beherzte Eingreifen der Hebamme rettete mich, weil meine Mutter die Treppe herunter gestoßen worden war. Wer meiner Mutter übel wollte, wurde nie geklärt.
Klein und runzelig schrie ich in die Kälte der Welt. Man gab mir zuerst Stunden zu leben, dann Tage. Aus den Tagen wurden Wochen, dann Monate und Jahre. Ich blieb dadurch aber mit einem lahmen Bein und viel zu klein zurück. Ein Gram der den Baron von Quidrame, meinen ehrenwerten Vater, nur weiter Zuflucht im Alkohol suchen lies. Mein Anblick machte ihm zugleich zornig und traurig.
Ich war der Erstgeborene und ein zwergenhafter Krüppel. Und eine Enttäuschung.
Mein Vater heiratete wieder, es ging um ein großes Stück Wald mit Erzminen. Aus der zweiten Ehe erflossen drei Geschwister, zwei Schwestern und ein Bruder. Ich war meistens der Lieblingsspott von ihnen. Nur die kleinere Schwester hatte oft Mitleid mit mir. Wir wurden gemeinsam erzogen, aber während meine Geschwister sich vergnügten, verbrachte ich immer mehr Zeit mit meinen Lehrern.
Als junger Mann sollte ich mit 16 Sommern endlich verheiratet werden. Schnell war eine gute Partie gefunden. Schließlich sollte ich dereinst meinem Vater nachfolgen. Der Gedanke an die Güter meiner Familie ließ alle Väter von guten Töchtern über meine Verkrüppelung hinwegsehen.
Auf dem Weg meine Verlobte zum ersten Mal zu treffen passierte endlich, was einfach unvermeidlich war. Ich stand meinem Bruder im Weg. Er war schließlich nicht verkrüppelt und besser als Nachfolger meines Vaters geeignet. Mein Leben war wenig wert in seinen Augen. Es geschah in der Nacht als ich in der Kutsche saß. In engen neuen Kleidern auf dem Weg zu meiner vielleicht Verlobten. Es geschah schnell, die meisten meiner Leibwächter wurden in den ersten Augenblicken von Pfeilen aus dem Dunkel der Nacht hinweggerafft. Die Fackeln die sie trugen machten sie zum leichten Ziel. Dann geschah es. Ich kannte nicht einmal seinen Namen. Eine der Wachen kletterte zu mir in den Wagen, riss meinen pelzbesetzen Mantel und Hut von mir ab und zwängte mich in den Mantel des Kutschers. Plötzlich schob er mich zur Tür hinaus wo ich hinfiel und über mir der Kampf weiter tobte. Das Chaos war unbeschreiblich. Fackeln lagen am Boden, wo meine Wachen sie fallen gelassen haben. Es war fast stockdunkel, überall Geschrei, Gestöhne und Waffengeklirre. Eine Hand zog mich hoch, ich blickte in das schattenhafte Gesicht unter meinem ehemaligen Hut umgeben vom Pelz meines ehemaligen Mantels. "Lauf so schnell du kannst, und komm nicht wieder!": zischte er, stieß mich in Richtung des dunklen Waldes. Ich hörte hinter mir die Tür zur Kutsche zuknallen als ich versuchte in den Wald zu laufen. Ich kam nicht weit. Ich stolperte und blieb in einem Strauch liegen, Blätter über mir gaben mir Deckung.
Ich denke oft, ob es anders gekommen wäre, wenn ich aufgestanden wäre und mich zu erkennen gegeben hätte. Aber ich war gelähmt durch die Angst, ich sollte erst viel später merken, dass ich mich dabei besudelt habe. Dadurch habe ich aber auch alles gesehen. Nachdem die Wiederwehr meiner Wachen zerstört war, riss einer der Angreifer die Tür zur Kutsche auf, leuchtete mit der Fackel hinein und schlug die Tür wieder zu. Jemand muss die Pferde vorne gelöst haben, weil diese plötzlich davon stoben. Plötzlich flogen mehrere Tongefäße durch die Nacht und zerprallten an den Wänden, dem Dach und der Tür der Kutsche. Es roch nach Schnaps. Als letztes flog die Fackel. Wie in Zeitlupe. Es stieg ein Feuerball in den Himmel, als die Kutsche Feuer fing. Mein Retter versucht von innen die Tür einzuschlagen, aber er schaffte es nicht. Das Geräusch der Flammen übertönte die Schreie aus der Kutsche bis schließlich das Holz nachgab und zusammenbrach. Niemand stieg aus den Flammen heraus!
Eine Ewigkeit später schwangen sich die schattenhaften Angreifer auf Pferde und ritten in die Nacht. Ich war allein. Ich starrte noch lange Zeit auf die brennenden Überreste der Kutsche. Irgendwann machte ich mich auf. Ich irrte die ganze Nacht durch den Wald bis ich am Morgen in ein Dorf kam, dass ich nicht kannte. Ich tauschte einen Goldring und weiteres Tand gegen ein altes Pferd und Kleidung. Von dort aus ritt ich immer weiter, Hauptsache weit weg. Ich ritt Richtung der Küste ohne davon eine Ahnung zu haben, ich war noch nie so weit von der Burg meines Vaters entfernt gewesen.
Irgendwann kam ich nach Lorgol, mittellos, ausgehungert und ohne große Hoffnungen. Es war der pure Zufall, dass ich mit einem Maler zusammenstieß. Ihm fielen dabei verschiedene Malutensilien in den Dreck. Er schrie und tobte. Ich stammelte eine Entschuldigung und bot an, seine Dinge zu tragen als Entschädigung, weil ich kein Geld hatte. So lernte ich meinen ersten Lehrmeister kennen. Die Gnade der Musen muss mich für die Behinderung und meine vielen Unglücke entlohnt haben, weil in kurzer Zeit ich der Lieblingsschüler wurde und ein Talent zeigte, das seiner gleichen suchte. Mein Aufstieg als Künstler war kometenhaft. Die Jahre gingen ins Land und mein Ruhm stieg. Die Mäzene reichten sich die Klinke in die Hand. Ich wurde auch in den Adelsstand erhoben, weil ein normaler Bürger konnte nicht mit dem hohen Adel sprechen. Und meine Werke und ich wurden weithin berühmt. Alles unter einem falschen Namen, niemand kannte mich hier.
Eines Tages stand der Diener meines Bruders vor mir. Sein Herr wollte ein Portrait in Auftrag geben. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Meine Hände waren feucht. Ich wollte alles gestehen als er hereinkam. Er sah mich an wie einen Fremden. Er grüßte und erkundigte sich nach meiner Familie und meiner Gesundheit, Höflichkeitsfloskeln. Reine Höflichkeit. Kein Erkennen. Ich rettete mich mit belanglosen Antworten und ratterte meine Fragen zum Auftrag herunter. Er ging wenig später.
Zuerst schlief ich die folgenden Nächte nicht. Wollte beim nächsten Treffen ihn zur Rede stellen und verhaften lassen. Später wollte ich ihn selbst ermorden und mich selbst stellen. Dann mit dem Bild vergiften. Am Schluss tat ich nichts. Ich malte das Bild und lies meinen Diener es zustellen und den Betrag kassieren. Er war dick geworden, seine Nase zeigte dass er wie mein Vater zu viel trank. Mein Diener erzählte mir, dass man munkelte, dass die Ehe nicht gut lief obwohl mehrere Kinder zur Welt gekommen waren. Seine Frau betrog ihn, die Kinder waren rebellisch. Zu allem Überdruss hat er mehrere Gebiete verloren und streitet jetzt mit den Nachbarbaronen seit Jahren um die Gebiete, die meines Vater zweite Ehe gebracht haben. Er tat mir irgendwie leid.
Von Zeit zu Zeit begegne ich meinen Schwestern, Cousinen oder anderen Familienangehörigen. Ich habe mich in den Jahrzehnten zu sehr verändert. Keiner erkennt mich, aber oft kommt die Angst. Meine Wut über den Verlust als Erbe meines Vaters ist einer Gleichgültigkeit gewichen. Ich bin froh nicht an der Stelle meines Bruders zu sein. Oft denke ich noch an die eine Nacht im Wald, an die brennende Kutsche und das schattenhafte Gesicht meines Retters. Ich weiß seinen Namen nicht. Aber ich halte mir immer sein Opfer vor Augen und versuche die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Es sind meistens die kleinen Dinge, welche das Leben von vielen Lebewesen schöner machen können.