Erste Geißel von Stadt und Lehen Tel AvivGhareeb ist schon seit Jahrhunderten an der Levante. Woher genau er kommt, oder wer sein Erzeuger war, das ist längst vergessen, und den Gepflogenheiten seines Clans folgend, ist Ghareeb sehr diskret und verschwiegen. Nicht nur was seine Aufträge angeht. Den Gerüchten zufolge, die am weitesten in die Vergangenheit reichen, ist er kurz nachdem die Osmanen 1516 das Heilige Land erobert hatten mit dem Ostwind in die Provinz gekommen, als einsamer Wanderer in der Nacht. Da er seinen Namen nicht preisgeben wollte, nannten ihn alle einfach
ghareeb, was so viel heißt wie „der Seltsame, der Fremde“. Er behielt diesen Namen bis heute. Nur manchmal, wenn der Wind von den östlichen Bergen kühl über Tel Aviv weht und Ghareeb sich über seinen eigenartig hellen Bart streichend plötzlich schweigend verharrt, vermeinen Aufmerksame um ihn herum in der Luft den Hauch eines anderen Namens zu hören:
Franj…
Im ständigen Widerstreit der Religionen und Nationen in der Region hat Ghareeb sich stets als Kraft des Ausgleichs in die Waagschale geworfen. Osmanische Provinziale, die das Volk ausbeuteten, britische Beamte, die durch ihre Willkür oder aber mit Absicht zwischen den ansässigen Stämmen Konflikte schürten, palästinensische Hetzprediger und israelische Militärs, die rücksichtslos ihrer Strategie das Leben und Glück tausender opferten, alle fielen sie unter seiner Klinge.
Die Gründung von Tel Aviv als Ort des Zusammenlebens und Miteinanders zwischen Juden und Muslimen, Palästinensern und Israelis, der blanke Idealismus dieser frühen Siedler in der Wüste, das erfüllte Ghareeb mit neuer Hoffnung, dass der ewige Kreislauf der Gewalt doch enden könnte. Ohne Einladung, ohne Erlaubnis, machte er sich persönlich zum Schutzherren der Stadt und der Ideale, für die sie stand. Die Arabische Revolte und der Gegenschlag nach der Staatsgründung Israels, die Kriege, die die junge Nation um ihr Überleben führen musste, und der seither nicht mehr enden wollende Mechanismus der Gewalt und des Hasses haben seine Hoffnungen bald zerschlagen. Als die noch junge Stadt zu einem eigenen Lehen wurde, ordnete Ghareeb sich problemlos in die neu entstandene kainitische Gesellschaft ein, und der Fürst war klug genug ihn dafür in die Regierungsgeschäfte einzubinden. Er sollte weiterhin das tun, was er jahrhundertelang getan hatte: den Traum des Himmlischen Jerusalem, der Stadt des Friedens zwischen allen Menschen, aus dem Schatten und der Stille heraus mit der Klinge zu verteidigen. Nur diesmal als Erste Geißel des Lehens von Tel Aviv…